Predigt, „Psalm“ und
„Missa“
zum Gottesdienst
am 10. (Israel-) Sonntag nach Trinitatis,
den 31.07.2016
in 74635 Eschental
Nach
Psalm 100
Alle Länder der Erde, die Regierungen
aller Völker, die Bewohner der Städte, die Menschen aller Landschaften haben
einen Wunsch:
Sie loben Gott, ihren Herren. Sie führen keine
Kriege mehr.
Sie misshandeln keine Menschen mehr. Sie
kämpfen nicht mehr gegeneinander.
Sie zerstören nicht mehr die Erde. Sie legen die Schöpfung zurück in
Gottes Hand.
Sie haben erkannt: Gott allein ist Herr. Sie
dienen Gott mit großer Freude:
Helfen und heilen ist ihnen in Fleisch und Blut
übergegangen.
Ihre Freude wirkt wie eine ansteckende
Gesundheit. Noch viele Menschen werden diese Freude weitergeben und von ihr
erzählen:
Alle Länder der Erde, die Regierungen aller Völker,
die Bewohner der Städte, die Menschen aller Landschaften verwirklichen die Güte
Gottes.
Ehr
sei dem Vater....
Von der Biblischen Geschichte, die wir nachher zu hören
bekommen, möchte ich ihnen zunächst die Handelnden Personen vorstellen: (Lk 10,25-37)
Schriftgelehrter:
Mit „Schrift“ ist die Thora gemeint, ein Gelehrter ist ein studierter Mensch.
Jesus hat es in der Geschichte also mit einem Mann zu tun, der die Thora studiert
hat und sich besonders gut mit den ca. 600 Vorschriften in diesem Buch
auskennt. Er will Jesus auf die Probe stellen, ob der sich genauso damit
auskennt.
Priester:
Der
Priesterberuf dürfte allen ein Begriff sein. Der Priester, Pfarrer oder Pastor hat
nicht nur einen Beruf sondern eine Berufung. So sollte es zumindest sein.
Levit: Leviten waren
Tempeldiener. So etwas wie der Knecht des Priesters. Jemand hat es einmal so
ausgedrückt: „Der Levit muss im Tempel dem Priester hinterherlaufen. Was der
Priester tut, tut er auch. Der Priester liest die Gebete, er tut es ihm gleich,
der Priester schwenkt das Weihrauchfass, der Levit tut desgleichen; er folgt
ihm wie ein Schatten.“
SAMARITER: In der
Geschichte heißt es „ein Mann aus Samarien“. Für die Juden zur Zeit Jesu waren
die Samariter ein minderwertiges Volk
– Sie kamen nicht nach Jerusalem in den Tempel zum Beten (obwohl sie auch nach der Thora lebten), sondern hatten ihren
eigenen heiligen Ort, den Berg Garizim in Samaria. Sie waren also „anders“. Das
„nicht leiden können“ beruhte auf Gegenseitigkeit: Die Samariter verabscheuten
die Juden auch.
Der
Überfallene: berichtet – nach einigen Tagen der Genesung – dem
Herbergsvater von seinen Erlebnissen und Gefühlen. Insbesondere von der
überraschenden Handlung des Samariters. Nun zu der Geschichte. Also, ein Schriftgelehrter,
einer der die Bibel studiert hatte, wollte Jesus auf die Probe stellen und
fragte ihn:
SAMARITER: „Was muss ich tun um das ewige Leben zu
bekommen?“
Jesus: „Was steht denn im Gesetz? Was liest du
dort?“
SAMARITER: „Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem
Herzen, mit ganzem Willen und mit aller deiner Kraft und deinem ganzen
Verstand! Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!“
JESUS: „Du hast richtig geantwortet, handle so,
dann wirst du leben.“
SAMARITER: „Diese Antwort ist mir zu einfach. Wer
ist denn mein Mitmensch?“
JESUS: „Ich will dir eine Geschichte erzählen.
Hör zu und verstehe. – Da war ein Mann, ganz allein auf einer Reise, zu Fuß von
Jericho nach Jerusalem. Unterwegs überfielen ihn plötzlich Räuber. Sie nahmen
ihm sein gesamtes Habe, schlugen ihn zusammen und ließen in Halb tot am
Straßenrand liegen. Kurze Zeit später kam ein Priester des Weges. Er sah den Überfallenen
und lies in links liegen. Genauso machte es ein Levit, er sah den Verletzten und
ging vorbei. Doch dann, einige Zeit später, kam ein Samariter den selben Weg.
Auch er sah den Verletzten und bekam Mitleid. Er ging zu ihm, behandelte und
verband seine Wunden, setzte ihn auf sein Reittier und brachte ihn in das
nächste Gasthaus, wo er sich weiter um ihn kümmerte. Am nächsten Tag, als der
Samariter abreisen wollte, gab er dem Wirt zwei Silberstücke und bat ihn den Verletzten
zu pflegen. ‚Wenn du noch mehr brauchst‘,
so sagte er, will ich es bezahlen
wenn ich zurück komme.‘
Das war die Geschichte.
Was meinst du? Wer
hat an dem Überfallenen nun als Mitmensch gehandelt?“
SAMARITER: „Der, der ihm geholfen hat natürlich!“
JESUS: „Dann geh und mach es ebenso!“
Liebe
(2) Konfirmanden, liebe
Gemeinde!
Wie ist es mit Geschenken, die man nicht
erwartet hat? In der Nachbesprechung einer Fortbildung wurde ich vor einigen
Jahren einmal gefragt, was ich von dieser Woche mitnehme, (subito) ohne dass ich
es erwartet hätte.
Die Frage überraschte mich; spricht man
doch in diesem Zusammenhang eigentlich nur von Erwartungen, die erfüllt
oder nicht erfüllt wurden.
Die Frage also, was hat mich (positiv) überrascht.
Wie ist es mit Geschenken, die man nicht
erwartet?
Wäre diese Frage dem Überfallenen in der Geschichte des
barmherzigen Samariters gestellt worden, so hätte er wahrscheinlich sofort
antworten können:
Es war die Hilfe dessen, von dem er es am
wenigsten erwartet hatte.
Vom Priester, vom Levit hatte er
wahrscheinlich Hilfe erwartet – sie gingen vorbei,
vom Samariter hätte er die Hilfe wohl in
seinen kühnsten Träumen nicht erwartet und gerade deswegen ist diese Hilfe so
besonders.
Für den Schriftgelehrten, der Jesus auf die Probe stellen
will, ist die Sache ganz klar.
Er kennt alle noch so kleinen Vorschriften, er weiß sich
zu verhalten, er weiß, was von ihm erwartet wird, und er hat eine klare
Erwartung an Jesus:
Dieser soll sich ebenso ans Gesetz halten, soll beweisen,
dass er die Gesetze kennt und befolgt.
Doch Jesus erkennt die Grenze beim
Schriftgelehrten:
Es fehlt das „Mehr“, das unerwartete!
Das Mehr an Menschlichkeit (subito) um Vorurteile zu überwinden, Begegnung
zuzulassen mit dem Fremden, dem Anderen.
Gerade
dieses Plus aber
1. ist das, was Menschsein ausmacht,
2. ist andererseits das, was Menschen und gesetzestreue Thora-Gelehrte voneinander unterscheidet.
Jesus bestätigt den Gelehrten und
pflichtet ihm bei, aber er fordert ihn auf, noch einen Schritt mehr in Richtung
Menschlichkeit zu gehen, er fordert ein Einfühlungsvermögen, das sich über kulturelle
und religiöse Grenzen in den Köpfen hinwegsetzt.
Jesus geht es um die Beziehungsebene, nicht
um eine Gesetzesdiskussion.
Es geht ihm um die Auflockerung verkrusteter
Beziehungen, festgefahrener Situationen,
So wie sich z.B. die „Aktion Sühne Zeichen“ noch heute um die Versöhnung dieser beiden
Volksgruppen bemüht: den Juden und Palästinensern.
Es geht Jesus um Versöhnung im Umgang
miteinander, und darum, die eigenen Vorbehalte zu überwinden - um des Menschen willen, der mir Gegenüber ist und dem ich Gegenüber bin.
Ihnen, LG. und euch Konfis wird dieses
Gleichnis bekannt sein.
Aber gerade darin liegt eine
Schwierigkeit.
Allzu schnell ist man dann mit dieser
bekannten Geschichte „fertig“.
„Tu was, und sei schön Hilfsbereit!“
Moralischer Anspruch und Leistungserwartung
hört man da heraus und „nickt ab“ und reiht es ein in die vielen Erwartungen, die
von allen Seiten zu erfüllen sind.
Wo gewinnt die Geschichte an Bedeutung in
unserem Leben?
Liebe Gemeinde, Jugendliche in der
Pubertät leben von Begegnungen mit Menschen.
Diese bieten ihnen Orientierung hin
zum eigenen Ich – durch Identifikation und Abgrenzung.
In der Abgrenzung entstehen leicht
radikale Urteile, die ein „Auf-ein-ander-zu-gehen“
verhindern können.
So kann es geschehen, dass einzelne Menschen
über Jahre hinweg nicht miteinander ins Gespräch kommen, weil ihre
inneren Bilder (Vorurteile) voneinander festgefahren sind und ihnen im
Weg stehen.
Zwei eklatante Folgen dieser
versteinerten inneren Bilder:
· die Radikalisierung von perspektivlosen
Jugendlichen, die zu diesen fürchterlichen Mordanschlägen führen.
· Und zweitens: das Wiederaufflammen
einer hirnlosen Ideologie, durch rechte Populisten, einer gestrigen Ideologie, derer
wir uns am heutigen Israelsonntag besonders schämen.
Doch da geht es uns vielleicht wie dem
Schriftgelehrten – „halte ich mich an die
Regeln, mache ich nichts falsch“.
Nur, was sind die richtigen Regeln? Hier
liegt die Chance des Gleichnisses:
Die Botschaft heißt: Prüfe die Regeln, hinterfrage
sie aufgrund deiner eigenen Erfahrungen
mit menschlichen Begegnungen.
Lasse dich erst einmal auf Begegnung ein und
bewerte dann für dich.
Begegnung kann bereichern, Begegnung
kann beschenken.
·
Das
Zugehen auf Menschen, das Sich-einlassen
auf Begegnung, gegenseitige Hilfe - kann unseren Blickwinkel verändern, erweitern
und das eigene Leben bereichern!!
·
Wir
können uns unsere eigene Grenzen und Vorurteile bewusst machen und Idee
entwickeln, wie sich diese selbst gesetzten Grenzen überwinden lassen....
·
Wir
werden gute Gefühle durch hilfsbereites Handeln erfahren.
·
Wir
werden Freude erfahren durch gute Worte anderer. - Etwas geschenkt bekommen, das
man nicht erwartet hat!! –
·
Versuchen
wir uns einmal an eine Situation zu erinnern, in der wir von einem anderen etwas
Gutes (Materielles oder Ideelles) bekommen haben, mit dem wir nicht gerechnet haben;
etwas Schönes, das wir nicht erwartet hatten – von diesem Menschen, in dieser
Situation…
Was wird das bei uns auslösen?
Überraschung, große Freude, Gerührtheit,
Erstaunen, Aufregung, Vertrauen, Dankbarkeit, einfach ein gutes Gefühl,
vielleicht auch Beschämung?
Überlegen wir einmal:
·
Wie
spricht der Überfallene in den Szenen über den Samariter?
·
Was
hat sich beim Überfallenen, beim Samariter durch das Erlebte verändert?
·
Was
kann sich durch Vorfall beim Herbergsvater verändern?
Bemerkenswert, der Satz, den der Papst gestern in Polen
der Jugend zugerufen hat (aus dem Gedächtnis zitiert): „Das Leben ist nicht
dazu da, sich ein bequemes Sofa einzurichten, sondern Spuren zu hinterlassen!“
Helfen oder auf jemanden zugehen, den ich nicht kenne oder
erst einmal nicht mag, kann Perspektiven eröffnen:
Es kann sich etwas verändern zwischen Menschen, es kann
gute Gefühle bewirken bei dem, der hilft, - bei dem, dem geholfen wird,
Vorurteile können abgebaut werden.
„Geh und handle genau so!“
„Was meinst du: Wer von diesen dreien hat
sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?“
„Der Gesetzeslehrer antwortete: ‘Der, der
barmherzig an ihm gehandelt hat.’ Da sagte Jesus zu ihm: ‘Dann geh und handle
genauso!’.“
Er meint damit: Tritt in die Fußstapfen
des Samariters!
Tue einmal etwas Ungewohntes – hinterlasse
Spuren! Wende dich einmal jemandem zu, den du nicht kennst, nicht magst – lass
dich auf Begegnung ein, hilf, wo du kannst, und du wirst gute Gefühle haben und
bewirken.
„Sich gegenseitig etwas Gutes tun“ – sei
unser Lebensmotto. Amen
·
Guter
Gott, gib uns die Kraft, alte Vorurteile zu überdenken, gib uns den Mut, auf
Menschen zuzugehen, neue Wege zu beschreiten, ungewöhnliche Schritte zu tun, in
die Fußstapfen des Samariters zu treten. Dazu segne du uns, barmherziger Gott, der
du uns alle im Blick hast und Gutes für uns erdacht hast. Wir bitten dich: Kyrie eleison....
·
Lieber
Bruder Jesus Christus, wir haben die Geschichte vom barmherzigen Samariter
gehört und sie rührt uns an: So oft begegnen uns Menschen, die unsere Hilfe benötigen
– und so oft hören und sehen wir weg – haben anderes zu tun oder glauben
einfach, nicht helfen zu können. Gib uns offene Augen, offene Ohren und ein
offenes Herz. Wir bitten dich: Kyrie
eleison....
·
Lass
uns Not erkennen, die Schreie der leidenden Mitmenschen in der Ferne und in der
Nähe hören, aber auch das leise Leiden unserer Mitmenschen erkennen und unser Möglichstes
tun. Und sende auch uns, wenn wir unter die Räuber fallen, helfende Menschen,
die sich liebend um uns kümmern. Wir
bitten dich: Kyrie eleison....
·
Besonders
denken wir heute Morgen an die von Flut-Katastrophen und von Terror und Krieg
heimgesuchten Menschen und an diejenigen, die aus anderen Gründen, wie Hunger
und Obdachlosigkeit leiden und mit uns auf dieser Erde leben. Hilf du ihnen
selbst und ermutige uns, ihnen zu helfen. Wir
bitten dich: Kyrie eleison....
·
Und
in unserer Nähe lass uns erkennen, wenn jemand einsam, traurig oder krank ist. Hilf
du ihnen selbst und ermutige uns, ihnen zu helfen. Wir bitten dich: Kyrie eleison....
·
Gewalt
beginnt oft ganz unscheinbar, auf dem Schulhof, im Kollegenkreis oder unter
Nachbarn. Hilf du den Menschen, die unter der Gewalt anderer leiden, und ermutige
uns, ihnen zu helfen. Wir bitten dich:
Kyrie eleison....
·
Dein
liebendes Auge, Gott, wacht über die ganze Welt – lehre uns, immer mehr mit
deinen Augen zu sehen – und lass uns immer mehr das, was die Not wendet, tun,
zum Heil für alle Menschen dieser Erde und zu deiner Ehre. Amen.
Und alles, was uns auf dem Herzen liegt,
aber noch keinen Platz in diesem Gebet fand, legen wir in die Worte, die du uns
selbst gelehrt hast: Vaterunser …
Sendung
und Segen: Denk daran, wenn ihr den Urlaub oder den Alltag zu
gestalten habt, dass Christus keine Augen hat außer den deinen, keine Hände
außer den deinen!
Er will dich segnen, er will dir Kraft
geben, damit du mit deinen Augen siehst, wo es jemandem nicht gut geht, und mit
deinen Händen helfen, heilen und segnen kannst – kurz: damit du mit deinen
Möglichkeiten die Welt ein wenig dem Himmel näher bringst. (Aaronit. Segen)